Das klingt missverständlich: weibliche Macht. Soll jetzt in Vorständen anders agiert werden? Vielleicht. Wollen Frauen Männer ablösen? Nein. Geht es um eine neue Denk- und Lebensweise? Ja.
Der Wechsel zu einer neuen Sichtweise
In unserer Gesellschaft existiert ein männliches Machtsystem. Die Koordinaten sind z.B. ein Ziel, einen Plan haben, Strategien, Umsetzung, Meilensteine, Kontrolle und so weiter. Das ist gut und nützlich, wenn ein Haus gebaut oder eine Reise gemacht wird. Das Vorgehen hat viele Erfolge in Industrie und Wissenschaft gebracht und unseren Lebensstandard verbessert.
Aber das männliche Machtsystem, eignet sich nicht so gut, wenn es um Themen wie größeres Wohlbefinden, Selbstvertrauen oder die intime Verbindung zu einem anderen Menschen geht. Was ist zu tun, wenn das Ziel unklar ist, das Vorgehen nicht linear ablaufen kann und dennoch viel Potential da ist, das in die Welt gebracht werden möchte? Dann ist ein anderes „Kraftpaket“ notwendig: feminine power. Der englische Begriff ‚power‘ bedeutet nicht nur Macht, sondern auch Kraft, Energie etc. Feminine power bezieht sich auf eine weibliche Art der Kraft oder Energie.[i] Dabei geht es um die Selbstverwirklichung von Frauen, aber nicht aus egoistischen Beweggründen, sondern so, dass auch für andere etwas erreicht wird.
Drei Kernpunkte weiblicher Macht
Bestimmte Probleme erfordern eigentlich auch für Männer eine andere Herangehensweise, nämlich:
- wenn ein Thema noch diffus ist,
- Intuition erfordert,
- mit innerem Wachstum verbunden und
- an Werte geknüpft ist.
Aber die Denkweise der weiblichen Macht spricht natürlich Frauen an und entspricht ihnen auch.
Dafür gibt es ein einzigartiges Set von Prinzipien, durch die Frauen in ihre Macht kommen können. Im Kern dieses Ansatzes geht es um drei Quellen des weiblichen Mitgestaltens: Die Kraft, sein Leben zu verändern, die Kraft, die eigene Bestimmung zu leben und auch eine Kraft, die die Welt verändern hilft. Es genügt aber nicht, darüber zu lesen; vielmehr ist es ein Lern- und Veränderungsprogramm.
Oftmals glauben wir Frauen, wenn etwas in unserem Leben nicht funktioniert, dass das an einem Mangel an Weiterbildung, Geld, Wissen oder Zeit liegt – jedenfalls irgendetwas außerhalb von uns. Stattdessen müssen wir in unsere weibliche Macht hineinwachsen. Ein Vorgehen in weiblicher Macht bedeutet – und das ist einer der Lernprozesse – nicht die Umstände zu verurteilen, in denen man lebt, sondern das in einem zu entdecken, was einen bremst.
Dabei geht es nicht um persönliche Defizite, sondern es handelt sich um ein kollektives Problem, eines, das historisch gewachsen ist. Frauen haben sich jahrhundertelang angepasst, waren in einem patriarchalen System untergeordnet und haben Ihre Fähigkeiten verleugnet. Diese nun zum Vorschein zu bringen, ist nicht ganz einfach. Ein weiterer Lernprozess ist es, die bestehenden Probleme zu ‚depersonalisieren‘, und sich deswegen nicht selber zu attackieren.
Macht, anders eingesetzt
Frauen können heutzutage viel eher als früher ihre Fähigkeiten einsetzen; aber es soll nicht um Wettbewerb und ein Übervorteilen gehen, sondern um ein kraftvolles Agieren miteinander, ein Lernen voneinander und ein inneres Wachsen. Was Menschen brauchen (was die Welt braucht) ist Zugehörigkeit und ein verbunden sein mit anderen, kreativ sein können, Bedeutung haben, Liebe und Lebendigkeit, Selbstverwirklichung und so weiter. Das ist nicht durch logisch-lineares Denken, Analyse, Kontrolle und eine Strategie zu erreichen. Männliche Herangehensweisen müssen durch weibliche ersetzt werden.
Statt eines Zieles gibt es Wünsche und Sehnsucht, statt Strategien und Meilensteine wird zurückgeblickt in die Vergangenheit, Kontrolle wird aufgegeben zugunsten von Hingabe und Intuition. Statt Macht über andere Menschen geht es um ein Miteinander, ein gemeinsames Lernen und stark werden. Wer besser ist, von dem kann man lernen. Man verfolgt seine persönlichen Wertvorstellungen und nutzt sie als Maßstab. Dabei hat man das Wohlergehen aller im Blick.
Dieses Vorgehen entstammt einem Denken in Fülle, nicht einem der Leere oder des Mangels. So wie man ein Glas mit einem Getränk als halb voll oder halb leer betrachten kann, so kann man auch davon ausgehen, dass genug für alle da ist, (oder dass alles knapp ist).
Vielleicht mögen Sie in der nächsten Zeit einmal Ihre Umgebung beobachten: Wo kommt die lineare-analytische Denkweise an ihre Grenzen?
Dr. Beate Klutmann
[i] Der Begriff stammt von Dr. Claire Zammit (Kalifornien), die zu diesem Thema Weiterbildungen anbietet.