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Vertrauen heißt, sich auf jemanden oder etwas verlassen zu können; ich halte jemanden für zuverlässig. Jemand agiert nicht gegen mich, er missbraucht keinen Teil von mir (weder Seele noch Körper), er schadet mir nicht: Dann kann ich ihm oder ihr vertrauen. Genau weiß ich das aber erst hinterher, nachdem etwas stattgefunden hat. Im Alltagsleben warten wir also ab, wir lassen Vertrauen langsam wachsen, wir zeigen uns vielleicht und wir beobachten den anderen, ob wir ihm oder ihr vertrauen können.

Ich will vertrauen können heißt, der andere soll mich nicht missbrauchen und sein Versprechen halten, zuverlässig sein. Wenn wir jemandem vertrauen, machen wir uns auch ein Stück weit verletzlich.

Vertrauen in unserer Gesellschaft

Vertrauen ist das Schmieröl in unserer Gesellschaft. Was wäre, wenn wir kein Vertrauen darin hätten, dass der Polizist den Verkehr ordentlich regelt, die Kinder in der Schule gut aufgehoben sind und einem im Krankenhaus geholfen wird? Das Leben wäre noch viel komplexer und schwieriger, als es eh schon ist.

Vertrauen reduziert Komplexität

Leider geht nicht immer alles gut und das Vertrauen wird enttäuscht. Dennoch: Wir leben in einer funktionierenden Gesellschaft. Privat entscheiden wir von Fall zu Fall, wem wir unser Vertrauen schenken.

Vertrauen im Alltag

Vertrauen gehört zu den Paradoxien des Lebens: Wenn ich jemandem vertrauen möchte, und nicht weiß, ob ich das kann und sollte, dann muss ich Vertrauen schenken! Ich will also Vertrauen bekommen und muss es geben, wie unpraktisch. Aber es gilt, wie so oft: Ich ernte das, was ich sähe. Ich bekomme also Vertrauen, wenn ich es vorher gegeben habe. (Ich schließe mal bei dieser Betrachtung Menschen mit krimineller Energie aus.)

Menschen unterscheiden sich darin, wieviel sie glauben anderen vertrauen zu können. Manch einer hat einen starken Selbstschutz und vertraut lieber nichts und niemandem. Mit großem Schutzbedürfnis wagt man nichts, macht keine schlechten Erfahrungen mehr – aber auch keine erfreulichen. Kein Vertrauen in andere zu setzen macht dann einsam. Wenn ich niemanden an mich ran lasse, kann mir nichts passieren, aber eben auch nichts Angenehmes. Man könnte auch sagen: Zuviel Schutz kann zur Furchtsamkeit werden, die einem nicht mehr nützlich ist.

Zu wenig Vertrauen, ist auch nicht gut.

„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ Das ist ein Hinweis darauf, dass man nicht vertrauensselig sein sollte, zu blauäugig. Zu wenig Vertrauen nimmt einem schöne Erfahrungen. Es ist ein Hin und Her zwischen zu viel oder zu wenig Kontrolle, das richtige Maß muss gefunden werden, will man entspannt leben.

Selbstvertrauen

Aber wann kann ich denn nun jemandem vertrauen? Zwei Aspekte sind dafür wichtig: 1) Der andere muss sich als verlässlich gezeigt haben. (Er / sie hält, was versprochen wurde.) 2) Wenn ich mir selber vertraue, dann kann ich leichter anderen vertrauen. Dann weiß ich, dass ich auch schwierige Situationen meistern werde. Mit Selbstvertrauen höre ich auf meine Intuition und lasse mich davon leiten. Ich weiß, dass ich mich auf mich selber verlassen kann, weil ich bereits einiges erreicht, Probleme gelöst und Aufgaben bewältigt habe. Das Vertrauen bezieht sich also auf andere Menschen, und ich kann Vertrauen in mich selber haben. Das macht es leichter, anderen zu vertrauen.

Wie komme ich zu mehr Selbstvertrauen? Veränderungen beginnen mit einer anderen Wahrnehmung. Das heißt in diesem Fall: Ich konzentriere mich auf die Situationen, in denen ich mir bereits vertrauen kann. Zur Übung kann man 2 Wochen lang jeden Tag eine Situation festhalten, die einem Selbstvertrauen gegeben oder gezeigt hat. Das kann eine Kleinigkeit sein, die einem gut gelungen ist. (Sie haben jemand Fremdes angelächelt und ein Lächeln kam zurück. Sie sind im Supermarkt, haben die Einkaufsliste vergessen und kaufen dennoch gezielt das, was Sie brauchen.) Es hilft, diese Momente handschriftlich zu notieren. Dadurch ist man körperlich involviert. Schauen Sie genau hin: Welche Ihrer Stärken haben Sie heute voran gebracht? Sie haben eine sympathische Ausstrahlung, können schnell Entscheidungen treffen, lassen sich nicht leicht verführen, können gut mit Kindern umgehen… und so weiter.

Selbstvertrauen hilft anderen zu vertrauen.

Selbstvertrauen hat natürlich auch etwas mit Selbstakzeptanz zu tun; da kann man mal hinschauen: Mag ich mich selber? Eine weitere Möglichkeit ist, gedanklich in die Vergangenheit zu reisen, um sich zu erinnern: Was habe ich bereits gemeistert? Welche schwierigen Situationen konnte ich bewältigen? Ich würde diese Momente wieder handschriftlich notieren, zum einen, um sie vor Augen zu haben, zum anderen, um ganz eingebunden zu sein in diese Schritte der Veränderung, hin zu mehr Selbstvertrauen (bzw. zu mehr Bewusstheit über das eigene Selbstvertrauen).

Als nächsten Schritt kann man eine Situation, eine Person wählen und den ersten Schritt machen, Vertrauen schenken. Man erzählt jemandem etwas persönliches, fragt um Rat, vertraut sich an und beobachtet, was dann passiert. Wie geht es mir dabei? Wie verhält sich die andere Person? Was passiert nach einigen Tagen oder Wochen? Auch das kann man mit der Hand notieren. Es bringt eine noch intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema und mit sich selber.

Misstrauen

Jetzt möchte ich den Spieß noch umdrehen, so als Gedankenspiel. Ich sähe und ernte Misstrauen. „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“ heißt es im Volksmund. Ist es nicht besser, lieber weniger vertrauensselig zu sein, nichts zu riskieren und sich gut zu schützen? Man traut dem Wetterbericht nicht und nimmt einen Regenschirm mit, man hält den Mund anstatt etwas von sich preis zu geben, man wartet ab, bevor man auf einen anderen Menschen zu geht, man holt eine zweite und dritte Meinung ein, bevor man eine Entscheidung trifft. In diesen Fällen bin ich auf der sicheren Seite! Nach meiner Erfahrung überträgt sich diese Einstellung allerdings auch auf die Ausstrahlung; im Laufe des Lebens strahlt man mehr und mehr Pessimismus und Misstrauen aus, wenn die (Über)Vorsicht zum Dauerzustand wird. Dann wartet man ab, aber die anderen Menschen kommen nicht auf einen zu, weil man keine einladende Ausstrahlung mehr hat. Ich habe daher für mich das Gedankenspiel so beendet: Lieber falle ich mal auf die Nase und mache schlechte Erfahrungen, weil ich nicht vorsichtig genug war. Dafür habe ich aber die meiste Zeit Freude gehabt und das Leben genossen.

Zum Schluss

Zwischen Vertrauensseligkeit und Übervorsicht ist es die goldene Mitte, die vermutlich einen guten Weg darstellt. Andererseits kann ich mir auch Situationen vorstellen, in denen eine Portion Blauäugigkeit Freude bereiten kann (z.B. der Platz auf der rosa Wolke, wenn man verliebt ist) oder in denen Übervorsicht angebracht ist (nachts nicht durch eine dunkle Gegend gehen, auch wenn es eine laue Sommernacht ist und man den Park gut kennt). Ich wünsche Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, dass Sie immer ein gutes Gefühl für die richtige Portion Vertrauen haben.

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